Allgemein| 10.09.2019

Erste Schweizer Studie zum Mini-Magenbypass wird am Weltkongress der IFSO in Madrid vorgestellt

Die Operation des sogenannten Mini-Magenbypass wird weltweit immer häufiger durchgeführt. Es gibt Adipositaschirurgen die den Mini-Magenbypass als die heilbringendste Operation der Wahl betrachten. Andere lehnen den Eingriff kategorisch ab und bewerten ihn als gefährlich.

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von Dr. med. Thomas Köstler

Wo liegt die Wahrheit?

Es gibt inzwischen aussagekräftige Studien, die nach einer Beobachtungszeit von 5 bis 10 Jahren nach einem Mini-Magenbypass sehr gute Resultate beschreiben.

Ebenso gibt es Studien, die auf Probleme bezüglich dieser Operation verweisen.

Weltweit ist der Mini-Magenbypass die dritthäufigste Adipositasoperation, nach Magenschlauch und klassischem Roux-Y-Magenbypass.

In der Schweiz sind die Qualitätsanforderungen an die Behandlung der Adipositas hoch. Aus diesem Grund soll in der Schweiz der Mini-Magenbypass nur unter Studienbedingungen eingesetzt werden. Es handelt sich um eine neue Operationstechnik, welche gründlich evaluiert werden soll.

Wir haben uns am Spital Limmattal zum Ziel gesetzt, unter Studienbedingungen die Mini-Magenbypass-Operation zu evaluieren und diese mit dem klassischen Roux-Y-Magenbypass zu vergleichen. In Kooperation mit dem Universitätsspital Basel und der ETH Zürich wurde die Studie am Spital Limmattal durchgeführt.

An der Mini-Magenbypass-Operation ist eigentlich gar nichts «mini». Die Operation ist nicht kleiner als der klassische Roux-Y-Magenbypass.

Der Unterschied zwischen den beiden Operationen besteht hauptsächlich darin, dass beim Roux-Y-Magenbypass eine neue Verbindung zwischen Magen und Dünndarm und eine weitere Verbindung zwischen Dünndarm und Dünndarm angelegt (geschaffen?) wird. Beim sogenannten Mini-Magenbypass wird nur eine Verbindung zwischen Magen und Dünndarm hergestellt. Daraus abgeleitet, hiesse der Mini-Magenbypass korrekterweise 1-Anastomosen-Bypass. Da die entstehende neue Anatomie dem griechischen Buchstaben Omega ähnelt, wird  diese Operation auch als Omega-Magenbypass bezeichnet. Wir haben den Roux-Y-Magenbypass dem Omega-Magenbypass gegenübergestellt.

Nachdem die Patienten die Einverständniserklärung für die Teilnahme an der Studie unterzeichnet hatten, wurde per Losverfahren entschieden, ob der Patient eine Roux-Y-Magenbypass-Operation oder eine Omega-Magenbypass-Operation erhalten würde.

Während und nach der Operation wurden die Komplikationen beider Operationen ermittelt. Zudem wurde die Gewichtsreduktion sowie die Lebensqualität der beiden Operationsarten miteinander verglichen.

Die Ärzte, welche die Nachkontrollen durchführten, wussten nicht, ob der Patient nun einen Roux-Y-Magenbypass oder einen Omega-Magenbypass erhalten hatte. Dadurch konnten bei den Beurteilungen und Nachkontrollen Vorurteile gegenüber der einen oder der anderen Operationstechnik ausgeschlossen werden.

Ein Jahr nach der Operation zeigten sich folgende Resultate:

In beiden Fällen war die Gewichtsreduktion sehr gut. Die Omega-Magenbypass-Operation führte jedoch zu einem besseren Ergebnis als die Roux-Y-Magenbypass-Operation.

Während der ersten 30 Tage nach der Operation traten bei beiden Verfahren sehr wenige Komplikationen auf. Es gab also bezüglich Sicherheit keinen Unterschied, beide Operationen sind gleichwertig sicher.

Nach einem Jahr traten jedoch beim Omega-Magenbypass mehr Geschwüre an der Verbindung zwischen Magen und Dünndarm auf, als beim Roux-Y-Magenbypass. Geschwüre verursachen Magenschmerzen und werden in einer ambulant durchgeführten Magenspiegelung diagnostiziert. Fast alle Geschwüre konnten mit geeigneten Medikamenten zur Abheilung gebracht werden.

Das Zurückfliessen von Gallenflüssigkeit in die Speiseröhre trat erwartungsgemäss beim Omega-Magenbypass auf, allerdings nur in zwei Prozent der Fälle. Ein Patient musste deswegen re-operiert werden. Der Omega-Magenbypass wurde in eine Roux-Y-Magenbypass-Operation umgewandelt. Die Beschwerden verschwanden unmittelbar nach dem Eingriff. Galle-Reflux tritt beim Roux-Y-Magenbypass nie auf.

Beim Roux-Y-Magenbypass hatten wir nach einem Jahr zwei Darmverschlüsse. Bei einem Patienten trat an der Dünndarm-Dünndarm-Verbindung eine innere Hernierung auf. Es erfolgte eine notfallmässige Operation, da eine innere Hernierung lebensbedrohlich sein kann. Die Operation verlief erfolgreich, dem Patienten geht es heute gut. Innere Hernierungen oder andere Probleme (Invaginationen, Verwachsungen) an der Fusspunktanastomose (Dünndarm-Dünndarm-Verbindung) gibt es beim Omega-Magenbypass im Gegensatz zum Roux-Y-Magenbypass nicht, da beim Omega-Magenbypass keine solche Verbindung hergestellt werden muss.

Wir haben die Lebensqualität beider Operationen mit verschiedenen Fragebögen ausgewertet. Nach einem Jahr liess sich nach beiden Operationen eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität feststellen. Es gab allerdings keinen Unterschied in der Lebensqualität beim Vergleich beider Operationen.

Auch bei der Proteinmangelernährung oder bezüglich des Auftretens von Durchfällen gab es nach einem Jahr keinen signifikanten Unterschied zwischen den Operationsarten.

Mit der ETH Zürich haben wir zusätzlich spezielle Appetithormonmessungen durchgeführt. Dort zeigten sich  interessante Unterschiede zwischen den beiden Operationstechniken.

Es ist das erste Mal, dass in der Schweiz beide Operationen einander systematisch gegenüber gestellt wurden.

Für uns stellten sich nun die folgenden Fragen:

Ist der Omega-Magenbypass besser als der Roux-Y-Magenbypass?

Oder ist der Omega-Magenbypass gar gefährlicher als der Roux-Y-Magenbypass?

Um diese Fragen zu beantworten, benötigen wir einen längeren Beobachtungszeitraum. Wir wissen zum Beispiel noch nicht, ob nach längerer Beobachtungsdauer ein Reflux von Gallenflüssigkeit in die Speiseröhre, wie er nach Omega-Magenbypass-Operationen vorkommen kann, eine Schädigung hervorruft.

Wir wissen hingegen, dass das Zurückfliessen von Gallenflüssigkeit in die Speiseröhre beim Omega-Magenbypass selten Symptome verursacht (2 bis 5 Prozent).

Je mehr wir unsere Operationstechnik verfeinern, desto seltener wird diese Komplikation auftreten. In Zukunft können bereits vor der Operation Patienten mit einer schlechten Funktion des Speiseröhre-Schliessmuskels für eine Omega-Magenbypass-Operation ausgeschlossen werden. Das Risiko eines Galle-Refluxes wird somit nochmals minimiert.

Im Gegensatz zum Omega-Magenbypass treten beim Roux-Y-Magenbypass Probleme an der Fusspunktanastomose (Dünndarm-Dünndarm-Verbindung) auf. Diese Probleme können chronische Bauchschmerzen verursachen oder zu einem Darmverschluss führen, der re-operiert werden muss (2 bis 10 Prozent der Fälle je nach Beobachtungsdauer).

Aufgrund unserer persönlichen Erfahrungen mit beiden Operationen gibt es für uns kein Schwarz-oder-Weiss-Ergebnis: Beide Operationen zeigen Vor- und Nachteile. Die Kunst der Adipositaschirurgie besteht nun nach wie vor darin, nach seriösen interdisziplinären Abklärungen die jeweils richtige Operation für den Patienten auszuwählen.

Wir werden unsere Studie weiter fortsetzen, und freuen uns sehr, wenn sich Patienten freiwillig für eine Teilnahme zur Verfügung stellen. Für sie entstehen keine zusätzlichen Aufwände oder Kosten.

Wir sind sehr gespannt auf den weiteren Verlauf und die weiteren Resultate.

Ein Artikel von Dr. med. Thomas Köstler, Leiter Adipositaszentrum Limmattal.

Autor
Dr. med. Thomas Köstler
Leiter Adipositaszentrum Limmattal
Leitender Arzt Klinik für Allgemein-, Gefäss- & Viszeralchirurgie

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