Allgemein| 20.12.2019

Adipositas bei Kindern und Jugendlichen

Die grösste medizinische Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird die Prävention der Adipositas im Kindesalter sein. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass jedes Jahr 2,6 Millionen Menschen an den Folgen von Übergewicht und Adipositas sterben.

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von Dr. med. Iglika Hübenthal

Es sind alarmierende Zahlen, die die WHO aktuell veröffentlicht hat.

Bereits im Jahr 2016 waren 340 Millionen Kinder und Adoleszente im Alter zwischen 5 und 19 Jahren übergewichtig oder adipös und davon 41 Millionen Kinder unter 5 Jahren.

Übergewicht oder Adipositas im Kindesalter bringt das Risiko mit sich, dass die jungen Menschen auch im Erwachsenenalter krankhaft übergewichtig bleiben. Außerdem steigt die Gefahr, dass bereits in jungen Jahren Komorbiditäten wie Diabetes mellitus Typ 2 , kardiovaskuläre Erkrankungen, muskuloskelletale Beschwerden und sogar ein erhöhtes Risiko für Karzinome entwickelt wird.

Es ist erschreckend zu sehen, dass in Asien und Afrika ­– wo die meisten übergewichtigen Kinder leben - krankhaft übergewichtige Kinder und unterernährte Kinder Seite an Seite leben.

Wie kommt es zu diesem gravierenden Ungleichgewicht?

Die inadäquate pränatale Ernährung, sowie mangelnde Versorgung im Kleinkindalter legen den Grundstein für eine gravierende Mangelernährung.

Diese wird aber abgelöst, sobald die Kinder älter sind, von einer hochkalorischen, fettreichen und zuckerreichen Ernährung mit einem niedrigen Vitamin- und Mineralstoffgehalt, was zu einer ausgeprägten Adipositas bereits im Kleinkindalter führt.

Daneben spielt die fehlende körperliche Aktivität ebenfalls eine ausgeprägte Rolle.

Die Kinder können nicht bestimmen, in welchen Verhältnissen sie aufwachsen und welche Lebensmittel ihnen zur Verfügung gestellt werden, sodass sozioökonomische Strukturen eine sehr grosse Rolle spielen, in der Entwicklung der Adipositas im Kleinkindalter.

Sodass ein sehr wichtiger Therapieansatz, bei der Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter, in der familiären Evaluation der Situation liegt: In was für wirtschaftlichen Verhältnissen wächst das Kind auf, welche Lebensmittel werden familiär bevorzugt und wie ist die Freizeitgestaltung, was die körperliche Aktivität betrifft?

Sehr wichtige Fragen die nur mit den Eltern besprochen und evaluiert werden können.

An erster Stelle stehen die präventiven Massnahmen, die einer weiteren Ausbreitung der Adipositasepidemie im Kindesalter entgegenwirken sollen. Dazu gehören keine Diäten, sondern eine individuelle Anpassung der Energiezufuhr und dem Verbrauch, welcher einfach eingehalten werden kann, ohne dass die Kinder Hunger verspüren müssen.

Als Basismassnahmen:

Sollte der Konsum von Gemüse und Früchten erhöht werden, sowie Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkornprodukte

Reduktion der Fettzufuhr und eine deutlich erhöhte Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren, anstatt gesättigten Fettsäuren

Reduktion des Zuckerkonsums

mindestens 60 min/Tag Durchführung einer, der körperlichen Entwicklung angemessenen, sportlichen Aktivität

Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe die Prävention der Adipositas im Kleinkindesalter zu unterstützen.

Auch unsere Klinik beschäftigt sich intensiv mit diesem Problem, sodass wir in enger Zusammenarbeit mit vielen Fachbereichen sowohl ein konservatives Therapiekonzept als auch ein operatives Therapiekonzept anbieten können.

Die KV-Leistungsverordnung ermöglicht in der Schweiz, seit dem Jahr 2014, Kinder mit Übergewicht und einer Begleiterkrankung oder Adipositas umfassend zu betreuen.

Neben den regelmässigen Konsultationen beim Kinder- oder Hausarzt können Ernährungsberatung und Physiotherapie verordnet werden.

Eine multiprofessionelle strukturierte Individualtherapie (MSIT)1 ist eine Weiterführung bzw. Intensivierung der Behandlung des Kinder- oder Hausarztes. Sie wird von anerkannten, für Kinder-Adipositas spezialisierten, Ärzten angeboten und mit Ernährungsberatungen, Physiotherapie und Psychotherapie/ Psychologie ergänzt.

Wir arbeiten z. B. sehr eng mit Dr. Christoph Rutishauser, Facharzt FMH für Kinder- u. Jugendmedizin, Universitäts-Kinderklinik, Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich zusammen.

Des Weiteren besteht auch die Möglichkeit zur Durchführung eines multiprofessionellen Gruppenprogrammes (MGP)2.

Die Gruppenprogramme werden von qualifizierten Fachpersonen aus den Bereichen Bewegung, Ernährung, Medizin und Psychologie/Verhalten geleitet. 

Jedes Programm umfasst eine Intensivphase von mindestens sechs Monaten und eine Nachbetreuungsphase von bis zu zwei Jahren. In der Intensivphase finden regelmässige Treffen für die Kinder und Jugendlichen und deren Eltern oder Bezugspersonen statt.

Die Kosten eines Gruppenprogramms werden von den Krankenkassen übernommen.

Ein solches Programm gibt es in Zürich - «club minu» unter der Leitung von Frau Daniela Specht.

Wenn die konservativen Therapiemöglichkeiten erfolglos ausgeschöpft sind und die Kinder und Adoleszente unter 18 Jahren einen BMI > 35 kg/m² aufweisen, plus mindestens einer schweren Komorbidität, kann eine Indikationsprüfung für eine bariatrische Operation an einem SMOB 3- anerkannten bariatrischen Referenzzentrum vorgenommen werden.

Die Indikationsabklärung bzw. Entscheidung für den bariatrischen Eingriff wird interdisziplinär in unserer Klinik getroffen, durch:

  1. Dr. med. Thomas Köstler und Dr. med. Iglika Hübenthal, als Fachpersonen des Adipositaszentrums Limmattal - Referenzzentrum für Bariatrie
  2. Dr. Christoph Rutishauser, Facharzt FMH für Kinder- u. Jugendmedizin. Als Fachperson des SGP/akj-zertifizierten pädiatrischen Adipositas Referenzzentrum am Kinderspital Zürich, Steinwiesenstrasse 75, 8032 Zürich
  3. Patrick Pasi, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH

Als Psychiater mit Erfahrung in Kinder- und Jugendpsychiatrie mit Nachweis der Urteilsfähigkeit in Bezug auf einen bariatrischen Eingriff am UniversitätsSpital Zürich Klinik für Konsiliarpsychiatrie und Psychosomatik 8091 Zürich.

Die präoperative Indikationsabklärung sowie die peri- und postoperative Betreuung werden durch das multidisziplinäre Team gewährleistet.

Nach getroffener Entscheidung für eine bariatrische Operation erfolgt die sorgfältige präoperative Vorbereitung des Patienten sowie dessen Eltern.

Es erfolgt eine nach den aktuellen SMOB- Richtlinien3 präoperative Abklärung der psychischen und somatischen Verfassung der Patienten, mit dem Nachweis des Abschlusses der körperlichen Reife und des Wachstums, sowie dem Nachweis der Urteilsfähigkeit des Jugendlichen in Bezug auf einen bariatrischen Eingriff.

Ebenfalls wird mit dem Jugendlichen die Notwendigkeit der grundsätzlich lebenslangen Nachkontrollen sehr genau besprochen sowie die notwendige Lebensstiländerung postoperativ mit Einhaltung eines gesunden Ernährung-und Bewegungsverhaltens.

Für viele adipöse Jugendliche ist eine bariatrische Operation, nach einer langen Phase von frustrierenden konservativen Therapieversuchen, die einzige Möglichkeit zur signifikanten und langfristigen Gewichtsreduktion.

Nach der signifikanten Gewichtsreduktion kommt es nicht nur zu einer deutlichen Verbesserung der Komorbiditäten (OSAS, Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie, Dyslipidämie nichtalkoholische Fettleber), sondern zu einer deutlichen Verbesserung der psychosozialen Belastung. Sodass die jungen Patienten, z. B. eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf beginnen können.

Abschliessend bleibt wirklich nur noch zu sagen, dass es eine gesellschaftliche Aufgabe ist, die Prävention der Adipositas im Kleinkindesalter zu unterstützen.

AKJ Fachverband Adipositas im Kindes- und Jugendalter - Einzelprogramm

AKJ Fachverband Adipositas im Kindes- und Jugendalter - Gruppenprogramm

SMOB Richtlinien 4.1.2. Kinder und Adoleszente unter 18 Jahren

Ein Artikel von Dr. med. Iglika Hübenthal, Ärztliche Leitung Ernährungsmedizin.

Autorin
Dr. med. Iglika Hübenthal
Ärztliche Leitung Ernährungsmedizin

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